Sicher hast auch du es gesehen: Das Video „Die Zerstörung der CDU“ des Youtubers Rezo, welches kurz vor der Europawahl einschlug wie eine Bombe und in sämtlichen Zeitungen, Nachrichtenportalen, Talkshows sowie von vielen Jugendlichen, Youtuberinnen und Youtubern und Politikerinnen und Politikern heiß diskutiert wurde. Falls du es doch noch nicht gesehen haben solltest, hast du die Gelegenheit, es hier nachzuholen – ist wirklich sehenswert.
Hier auch noch das anschließende „Statement“ von mehr als 90 YouTubern
Die mittlerweile deutlich mehr als 15 Millionen Klicks auf YouTube machen deutlich, dass Rezo mit seinem Video einen Nerv getroffen hat – und zwar vor allem den Nerv vieler junger Menschen, die die Nase gestrichen voll von dem Gefühl haben, dass sie und ihre Interessen von der Politik nicht ernst genommen werden. Die zahlreichen hochnäsigen und (vorsichtig formuliert) wenig wertschätzenden Reaktionen vieler Politikerinnen und Politiker wie bspw. der Tweet von FDP-Chef Christian Lindner („Ich finde politisches Engagement von Schülerinnen und Schülern toll. Von Kindern und Jugendlichen kann man aber noch nicht erwarten, dass sie bereits alle globalen Zusammenhänge, das technisch Sinnvolle und das ökonomisch Machbare sehen. Das ist eine Sache für Profis“) verstärken dieses Gefühl junger Menschen noch zusätzlich. Passt diese Aussage bspw. zu Lindners Wahlplakat mit der Aufschrift „Schulranzen verändern die Welt. Nicht Aktenkoffer“ aus dem Bundestagswahlkampf 2017? Zweifelhaft…

Aussagen wie diese zeigen zudem, dass die Politik (immer noch) nicht verstanden hat: Die Jugend und ihren berechtigten Ärger nicht verstanden hat. Die digitale Welt nicht verstanden hat, dort planlos agiert und diese maßlos unterschätzt. Statt des von der CDU angekündigten Antwort-Videos mit dem erst 26-jährigen CDU-Abgeordneten Philipp Amthor veröffentlichte die CDU ein 11-seitiges PDF-Dokument.
(Kleine Anekdote: Mir ist es erst nach zahlreichen Versuchen gelungen, bei bester Internet-Verbindung das nicht einmal 700kB große Dokument vom CDU-Server herunterzuladen. Sarkastische Frage: Seid ihr auf dem aktuellsten Stand der Technik, liebe CDU?)
Mal ganz ehrlich: Hast du dir die Mühe gemacht, dir dieses lange Dokument durchzulesen? Ja? Glückwunsch, dann gehörst du vermutlich zu den wenigen besonders interessierten Einzelexemplaren. Nein? Mehr als verständlich. Ein Antwort-Video hättest du dir wohl eher angeschaut, oder?
Glaubt die CDU denn ernsthaft, dass sie so im 21. Jahrhundert jungen Menschen auf ihre Anliegen antworten kann und sie somit erreicht? Für Ihre desolate Reaktion musste die CDU viel Häme einstecken. Hierfür ein Beispiel aus der heute Show (haben wahrscheinlich deutlich mehr junge Menschen gesehen als die Antwort der CDU):
Zwar steht in diesem Falle vor allem die CDU im Kreuzfeuer der Kritik, letztlich kann aber fast für alle etablierten politischen Parteien festgestellt werden, dass sie weder den Umgang mit sozialen Netzwerken beherrschen, noch jungen Menschen glaubhaft das Gefühl vermitteln können, ihre Interessen und Bedürfnisse ernst zu nehmen und sich für sie einzusetzen. Dies wird auch in folgendem Artikel der Welt deutlich:
Welt-Artikel „Nur eine Partei beherrscht das Netz wirklich“
Es wird Zeit, dass die etablierten Parteien ENDLICH daraus lernen, sich im digitalen Raum professioneller aufzustellen und authentischer aufzutreten. Einen nichtssagenden und sperrig formulierten Tweet in die Welt zu setzen, wie es aktuell bei vielen Politikerinnen und Politikern in Mode gekommen ist, nur um auf einer Social-Media-Plattform Präsenz zu zeigen, kann dabei nicht ausreichen. So lange die Politik das nicht begreift, gibt sie populistisch und antidemokratisch ausgerichteten Parteien wie der AfD in diesem Bereich einen unverantwortlichen Vorsprung, mit zwar inhaltsleeren Parolen, dafür aber technisch durchaus clever auf Wählerfang zu gehen. Wenn eine ganze Generation – egal, ob jung oder alt – zunehmend das Gefühl bekommt, von der Politik nicht ernst genommen, gehört und verstanden zu werden (ein weiteres Beispiel hierzu ist die Debatte um Artikel 13), ist das langfristig eine ernsthafte Gefahr für unsere so hart erkämpfte Demokratie. Zudem wollen die Jugendlichen und jungen Erwachsenen mehr Taten – vor allem im Bereich Klimaschutz – sehen und sind auch bereit, dies vehement einzufordern. Dies drückt sich aktuell vor allem in den Fridays for Future-Streiks aus. Auch ein Postengeschacher wie nach der Europawahl ist da wenig förderlich und führt zu einer noch größeren Politikverdrossenheit.
Es gilt für die Politik: Mehr handeln, anstatt immer nur darüber zu reden! Und: Die Interessen der jungen Menschen endlich ernster zu nehmen – auch wenn sie verhältnismäßig nur einen kleinen Teil der Wählerstimmen ausmacht. Sie sind die Zukunft dieses Landes und haben ein Recht darauf, ihre eigene Zukunft mitzugestalten!
Weitere Artikel und Links zu dem Thema:
Artikel FAZ „Er nervt, weil er muss“
2 Gedanken zu „Immer weiter so? Was die Politik aus dem Rezo-Video lernen sollte“
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